Schreiben als Praxis und Weg in die Essenz
Schreiben hat viele Funktionen. Es ist Kommunikationsmittel, Ausdrucksform, kreative Betätigung, Freizeitbeschäftigung. Es ist aber auch ein Werkzeug, um das Leben zu bewältigen. Ein kraftvoller Begleiter auf dem persönlichen Entwicklungsweg. Schreiben ist Meditation, eine Reise nach innen. Eine Möglichkeit, mit unserem innersten Wesenskern in Kontakt zu kommen.
All diese Seiten von Schreiben sind von verschiedensten Menschen (Theoretiker:nnen, Schriftsteller:innen, Therapeut:innen, Mystiker:innen und Lehrmeister:innen) benannt und erfahren worden. Ich selbst kenne viele dieser Facetten des Schreibens. Schreiben gehört seit meiner Jugend zu einer meiner wichtigsten und liebsten Tätigkeiten, beruflich wie privat. So manche/n habe ich inzwischen schon mit meiner Leidenschaft fürs Schreiben angesteckt.
Mich hat diese Entwicklung mit und beim Schreiben u.a. zu einer weiteren Leidenschaft geführt: zum Yoga! Fasziniert von dieser jahrtausendealten indischen Lehre und seiner ganzheitlichen Lebensphilosophie, dem umfassenden körperlichen, philosophischen und spirituellen Erfahrungswissen habe ich mich noch einmal auf eine intensive Lernzeit eingelassen und darf mich mich demnächst ausgebildete Yogalehrerin nennen. (Das schrieb ich Mai 2016; inzwischen (= im März 2024) unterrichte ich seit vielen Jahren und bin erfüllt von unzähligen bereichernden Yogastunden.)
Auf diesem Weg entdeckte ich zunehmend auch die fruchtbringende Verbindung von Yoga und Schreiben: Das eine ergänzt das andere. Beides führt in die Tiefe. Beides kann ein „Fahrzeug“ sein auf der Reise zu uns selbst und einem erfüllten Leben. Beides hilft uns, den Kopf auszuschalten und ganz im Herzen zu verweilen; Momente zu erleben, in denen wir ganz frei sind von Gedanken und trotzdem ganz präsent; im eigenen Innenraum zu sein, ohne Ablenkung von außen, ohne Ablenkung durch den eigenen Geist.
Meditatives Schreiben
Durch freies, intuitives, meditatives Schreiben können wir uns mit unserer inneren Stimme verbinden, mit der Kraftquelle in uns, unserer inneren Weisheit – wie auch immer wir diese Qualität/diesen Teil von uns nennen. Am besten gelingt das, wenn wir uns vorher ein paar Minuten Stille gönnen.
Falls Sie eine eigene Meditationspraxis haben, kann diese am Beginn des Schreibens stehen. Ansonsten schließen Sie einfach für ein paar Minuten die Augen, konzentrieren sich auf Ihren Atem, ziehen Ihre Sinne von der Außenwelt zurück. Lauschen Sie nach innen und beobachten Sie, was auftaucht. Wenn Sie das
Gefühl haben, dass der Impuls zum Schreiben kommt, nehmen Sie Stift und Papier und schreiben aus dieser Stille heraus. Sie müssen sich gar nicht anstrengen, eher geht es ums Zulassen. Folgen Sie dem Strom Ihrer inneren Bilder. Lassen Sie die Worte in sich aufsteigen, vielleicht zuerst nur ein einzelnes, später immer mehr und mehr. Bleiben Sie dran und folgen Sie Ihrer Intuition, Ihrer Energie. (Sollte Ihnen das schwer fallen, können Sie auch einen (imaginären) Brief an einen vertrauten Menschen schreiben. Manchmal erleichtert die Vorstellung eines Gegenübers den Beginn.)
Wenn wir in dieser Haltung schreiben, gibt es kein Richtig oder Falsch. Jedes Wort soll und darf genau so sein, wie es ist. Etwas in uns schreibt, manche nennen es die innere Schreiberin/ den inneren Schreiber. Die Worte formen sich wie von selbst. Oder mit Henry Miller gesagt: „Hören Sie auf, gut sein zu wollen. Wir werden zum Vehikel von etwas, das sich ausdrücken will.“
Auch eine Yoga-Übungseinheit ist ein guter Einstieg ins Schreiben. Yoga in seiner ursprünglichen Wortbedeutung meint „Verbindung“ (Sanskrit von „yuga“ = Joch, „yuj“= anjochen, anbinden). Yoga verbindet uns mit uns selbst1. In den Körper- und Atemübungen erleben wir uns in einer besonderen Tiefe und Achtsamkeit, die Gedanken kommen zur Ruhe. Aus dieser Stimmung heraus lässt es sich dann besonders gut (aus dem Herzen) schreiben. Der Stift fliegt geradezu übers Papier. Die Finger klopfen wie von selbst auf die Tasten, falls Sie mit dem Computer schreiben.
Dass wir in diesem Schreib-Modus nicht gezielt steuern, welche Themen und Inhalte sich zeigen, ist genau der Punkt, der uns in unserer Entwicklung weiterbringt. Gefühle, Erinnerungen, Hoffnungen, Freuden, Wünsche, Ängste… – all das, was wir nicht bewusst wahrnehmen, aber latent vorhanden ist, all das darf zum Vorschein kommen. Wir holen quasi die Dinge vom Dunkel unseres Innersten ins Licht der Welt. Wir „gebären“ Neues oder bisher Verborgenes. Wenn diese Gefühle/Themen erst einmal sichtbar sind, können wir ihnen auf den Grund gehen, sie genauer betrachten. Oder sie bewusst wieder verabschieden und loslassen. Auf diese Weise ist Entwicklung möglich. Wir kommen der Essenz unserer Persönlichkeit immer näher, können unser volles Potenzial entfalten. So wird Schreiben zum Weg.
Die Energie und Unterstützung einer (Schreib)gruppe
Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass auch Sie die Entfaltungs- und Entwicklungschancen des Schreibens erfahren und für sich nützen dürfen. Falls Sie sich das alleine (noch) nicht vorstellen können, finden Sie sicher eine Schreibgruppe in Ihrer näheren Umgebung: Dort können Sie sich tragen lassen von der stärkenden Gemeinschaft, von der achtsamen Begegnung im Miteinander, die das eigene Schreiben leichter macht und ihm eine zusätzliche Tiefen-Dimension schenkt.
Im Yoga (und Buddhismus) kennen wir den Begriff der „Sangha“: eine Gemeinschaft von Praktizierenden, die sich gemeinsam auf den Weg macht. In einer solchen Gruppe geht es leichter, man unterstützt sich gegenseitig, die Gemeinschaft trägt. Das gilt auch für Schreibgruppen! Dort schreiben Sie zwar ganz für selbst, doch Sie werden dabei spürbar von der Energie der Gruppe getragen und inspiriert.
Vielleicht möchten Sie die Wirkung selbst erleben, indem Sie an einem meiner „Yoga & Schreiben“-Seminaren teilnehmen? Vom Tagesworkshop bis zur einwöchigen Urlaubsreise ist für alle Bedürfnisse etwas dabei. (Mehr Infos gerne bei mir persönlich oder auf meiner Website unter der Kategorie „Yoga & Schreiben„.)
In jedem Fall wünsche ich Ihnen inniges Schreibvergnügen und alles Gute auf Ihrem ganz persönlichen Weg!
Herzlich
Alexandra Peischer / schreib.raum
Quellen (und wunderbares Inspirations- und Übungsbuch):
Anna Platsch: Schreiben als Weg. Von der kreativen Kraft des Wortes. 4. Aufl., Bielefeld: Theseus Verlag 2014
Grafiken: Agnes Schedl; Gerald G/clipartist.net;
- Das ist natürlich nur eine von zahlreichen Wirkungen, Zielen und Möglichkeiten des Yoga. ↩︎