Schreibimpulse

Die Früchte des Sommers ernten

Herbstlich verblühte Blume am Wegesrand, Berge im Hintergrund
Sammeln Sie die Eindrücke Ihres Sommers und finden Sie poetischen Ausdruck dafür.

Der Sommer liegt so gut wie hinter uns und ich hoffe, Sie hatten viele schöne Erlebnisse!
Vielleicht haben Sie fremde Länder bereist, vielleicht waren Sie in den Bergen oder in den Wäldern unterwegs, sind in Seen geschwommen oder haben es sich einfach auf Ihrem Balkon gemütlich gemacht?

Was auch immer Sie erlebt haben: Es gibt sicher einiges zu erinnern und festzuhalten, damit Sie sich auch später noch daran erfreuen zu können. Das Schöne am Erinnern ist ja, dass wir uns ein zweites Mal in eine schöne Situation begeben und sie noch einmal durchleben, insbesondere wenn wir darüber schreiben:

„Wir schreiben, um das Leben zweimal zu kosten:
im Moment und im Rückblick.“

Anaïs Nin

Heute lade ich Sie ein, sich etwas Zeit zu nehmen (vielleicht eine halbe Stunde oder gerne auch länger), um ein paar Eindrücke des Sommers zu sammeln und anschließend zu verdichten.

1. Schritt: Eindrücke sammeln

Gehen Sie in Gedanken Ihren Sommer durch und notieren Sie alle schönen Erinnerungen, die Ihnen spontan in den Sinn kommen, von Winzigkeiten und kurzen Augenblicken bis hin zu den großen Ereignissen oder längeren Reisen. Die Notizen können wild durcheinander gehen, Sie können Sie aber auch ordnen, z.B. auf einer Zeitlinie oder nach bestimmten (selbstgewählten) Kategorien in einer Art Cluster oder Mindmap – ganz wie es Ihnen Freude macht. Auch Listen (von simplen Aufzählungen bis zu poetischen Listen wie einem ABC-Darium) eignen sich hier gut.
Ordnungskriterien können z.B. sein: bestimmte Zeiträume, Orte, Kategorien wie „Wanderungen“, „Reisen“, „Sportliche Aktivitäten“, „Kultur“ oder ähnliches.

Wenn die Einfälle weniger werden oder versiegen, holen Sie sich Ihren Kalender und blättern die Seiten der letzten Monate durch. Vielleicht finden sich da noch Einträge, die Sie in Ihrer Gedankenreise gar nicht bedacht haben und die Sie noch aufnehmen möchten.

Zwischenschritt: Freewriting

Als nächsten Schritt sehen Sie sich Ihre Notizen an und überlegen, ob Sie ein bestimmtes Ereignis, Erlebnis oder Thema dieses Sommers vertiefen wollen und wählen dieses für die nächste Schreibaufgabe. Oder Sie entscheiden sich für einen Gesamtüberblick, quasi eine „poetische Zusammenfassung“ Ihres Sommers als Ganzes, dann verwenden Sie alle Notizen zum Verdichten.

Als Zwischenschritt schreiben Sie dann am besten ein Freewriting:
Schnell und unzensiert fließen alle Ihre Erinnerungen (zu Ihrem gewählten Erlebnis oder zu Ihrem Sommer allgemein) aufs Papier – als Fließtext, ohne auf Formulierungen, Rechtschreibung oder Grammatik zu achten. Lassen Sie Ihre inneren Bilder durch Ihre Hand zu Worten und Sätzen werden.

Letzter Schritt: Verdichten

Variante 1: Rondell

Nun folgt die Verdichtung in Form eines Rondells (auch als „Triolett“ bekannt), einem achtzeiligen Gedicht mit einer vorgegebenen Abfolge der Zeilen. Es gibt unterschiedliche Traditionen dafür, die bekannteste ist folgende:
Die Zeile eins wird in der vierten und siebten Zeile wiederholt,
die Zeile zwei in der achten (siehe Vorlage).

Sie können dafür einzelne Sätze aus Ihrem Freewriting verwenden, Elemente aus Ihren Notizen oder etwas ganz Neues schreiben.

Ein Beispiel (von mir):

Am liebsten geh ich barfuß,
das lässt meinen Füßen Raum,
schenkt meinen Zehen Luft.
Am liebsten geh ich barfuß,
mit Wonne auch im Frei’n,
küss‘ Mutter Erde Schritt für Schritt.
Am liebsten geh ich barfuß,
das lässt meinen Füßen Raum.

Variante 2: Pantun

Wem das Rondell gut von der Hand gegangen ist, der/die kann sich noch an einem Pantun üben:

Das Pantun ist eine malaysische Gedichtform, die aus beliebig vielen (meist vier) Strophen mit folgendem Aufbau besteht:

Jede Strophe hat vier Zeilen zu je acht bis zwölf Silben im Kreuzreim, also a-b-a-b. Jeweils die zweite und vierte Zeile einer Strophe werden als erste und dritte Zeile der nächsten Strophe wiederholt. Zusätzlich wird die dritte Zeile der ersten Strophe zur zweiten Zeile der letzten Strophe und die erste Zeile des Gedichtes wird auch zur letzten, was insgesamt ein kunstvolles Flechtwerk ergibt, das in sich geschlossen ist.

Das klingt recht kompliziert, ist aber in der Realität gar nicht so schwierig, wenn man es gezielt angeht. Letztlich besteht das Gedicht ja „nur“ aus acht verschiedenen Versen (1–8) und vier Reimpaaren (a – d).

Am besten beginnt man, indem man 8 Verse schreibt:
Zeile 1-4 in Reimform a-b-a-b
und
Zeile 5-8 in Reimform c-c-d-d,
denn diese werden dann später ja neu verteilt.
Sobald die Verse stehen, ordnet man sie dann im vorgegebenen Schema an und fertig ist das Pantun.

Auch wenn das im ersten Moment vielleicht seltsam klingt, werden Sie sehen: In der Ausführung macht es Spaß. 🙂

Am besten Sie probieren es einfach aus!

Wiederum ein Beispiel von mir:

Schreiben über Gott und die Welt
Ach, wie tut das gut!
Beim Schreiben bin ich mein eigener Held,
Es verfliegt jegliche Wut.

Ach, wie tut das gut!
Schreibend öffnet sich stets eine Tür.
Es verfliegt jegliche Wut.
Hinter mir die Pflicht, vor mir die Kür.

Schreibend öffnet sich stets eine Tür.
Räume so weit wie das Firmament.
Hinter mir die Pflicht, vor mir die Kür.
Staunend bleib ich zurück am End.

Räume so weit wie das Firmament.
Beim Schreiben bin ich mein eigener Held.
Staunend bleib ich zurück am End.
Schreiben über Gott und die Welt.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Erinnern, Sammeln und Verdichten Ihrer Sommererlebnisse!
Ihre
Alexandra Peischer

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