Nachdem immer noch Reisezeit ist, beschäftigt sich auch der Schreib-Impuls im Juli mit dem Thema Schreiben auf Reisen. Für alle, die ihren Sommerurlaub schon hinter sich haben und trotzdem schreiben möchten, gibt’s aber eine Variante. 😉
Kreative Reisegrüße
Besonders im Urlaub ist es üblich – auch im Zeitalter von SMS und MMS (!) – eine Postkarte mit Urlaubsgrüßen an die Zuhausegebliebenen zu schicken. Wie könnten Sie diese Ansichtskarten einmal anders gestalten? Wie können wir die Lesenden damit unterhalten statt sie mit „0-8-15 Karten“ möglicherweise zu langweilen? Dazu ein paar Anregungen:
1.) Behalten Sie stets die Empfänger:innen im Auge: Was interessiert diese wirklich? Ist es die Flora und Fauna des Urlaubslandes oder eher die kulturelle Seite? Sind es musikalische Höhepunkte, die Sie dort erlebt haben oder stattdessen die kulinarischen Besonderheiten dieses Ortes? Oder gar ein skurriles Detail zu Ihrem Kellner von gestern Abend?
2.) Machen Sie sich auf die Suche nach besonders komischen, ausgefallenen oder bizarren Bildmotiven. Verfassen Sie dann kleine Kommentare, in denen Sie mit dem Ansichtskartenmotiv spielen: Gehen Sie darauf ein, assoziieren Sie frei dazu und packen Sie ganz nebenbei ein paar Informationen mit hinein.
Zur Veranschaulichung hier ein Beispiel von Jurek Becker, der im Januar 1988 nach Hawaii reist und eine Karte nach Hause schickt, die eine Gruppe von lachenden Hawaiianern mit entblößten Oberkörpern, bunten Lendenschürzen und viel Schmuck zeigt. Dazu schreibt er:
Ihr unsere Liebsten,
auf Hawaii lauert hinter jeder Ecke ein Gangster, der dir eine Blumenkette um den Hals werfen will und dabei den Eindruck erweckt, es handele sich um die ortsübliche Gastfreundschaft. Die zehn Dollar, die das mindestens kostet, werden nahezu verschämt angenommen. Heute habe ich einen diesbezüglichen Versuch mit den Worten „Piss off“ abgewehrt. Das ist hawaiianisch und heißt soviel wie: „Danke, ich habe schon einen Kranz.“ Es hat gewirkt.*
3.) Erfinden Sie eine Geschichte, die auf das Motiv Ihrer Karte Bezug nimmt. Auch in wenigen Sätzen kann eine Erzählung entworfen werden, die dazu anregt, das Bild genauer zu betrachten. Verstehen Sie diese als Erzählvorschlag, der weitere Phantasien beim Leser/bei der Leserin hervorbringt.
4.) Schreiben Sie an ein und dieselbe Empfänger:in viele Karten. So können Sie immer wieder an Ihre Geschichte anknüpfen und eine Art Fortsetzungserzählung auf Ansichtskarten oder einen kleinen Reisebericht in mehreren Episoden entwerfen.**
Verdichtete Urlaubseindrücke
Ein letzter Impuls, den ich zwar letzten Sommer bereits gegeben habe, der aber – weil er so gut auf Ansichtskarten passt – hier nochmals erwähnt sei:
Akrostichons*** eignen sich hervorragend, um Eindrücke aus fremden Ländern oder Städten festzuhalten und in spielerischer Form aufs Papier zu bringen – egal ob auf Ansichtskarten oder im persönlichen Reisetagebuch! Ein Beispiel aus meinem letztjährigen Urlaub:
K ulturell interessant
R eizvoll in seiner landschaftlichen Vielseitigkeit
E rholsam ruhig an der Südküste mit
T raumhaften Stränden und
A temberaubenden Ausblicken
Von zuhause aus Postkarten schreiben
Gelungene Postkarten, die Lust machen zum Weiterdenken und -fabulieren, können aber auch genauso gut von zuhause aus geschrieben werden. Wenn Sie Ihren Sommerurlaub bereits hinter sich haben, probieren Sie doch Folgendes aus:
Gehen Sie in ein Schreibwarengeschäft, eine Tabak-Trafik oder einen Souvenirladen und kaufen ein paar besondere Postkarten: lustige Motive, ungewöhnliche Details aus Ihrem Wohnort oder Fotokarten, die Ihnen spontan gefallen. Überlegen Sie sich eine Geschichte zu dem Motiv/Foto und fragen Sie sich, mit welcher Person, die Sie kennen, diese Geschichte eine Verbindung herstellt. (Wo gibt es etwas gemeinsam Erlebtes, geteilte Interessen oder Orte, die Sie beide kennen…?)
Schreiben Sie dann diese Geschichte in wenigen Sätzen auf die Karte und schicken Sie sie an die auserwählte Person. Und siehe da: Menschen freuen sich auch über Postkarten, wenn Sie nicht aus einem Ort in der Ferne und nicht von Urlaubenden kommen… Und vielleicht erhalten Sie sogar eine Karte retour – mit einer Antwort, einer Variante oder einer Fortsetzung Ihrer Erzählung…?
Mit diesen Anregungen wünsche ich Ihnen eine inspirierende Reise- und Urlaubszeit!
Sommerliche Grüße,
Alexandra Peischer / schreib.raum
* Jurek Beckers Neuigkeiten an Manfred Krub & Otti, Ullstein, Berlin 2003, S. 118 f.
** Diese und viele weitere Anregungen bietet das Buch „Schreiben auf Reisen. Wanderungen, kleine Fluchten und große Fahrten – Aufzeichnungen von unterwegs“ von Hanns-Josef Ortheil (DUDEN, Reihe Kreatives Schreiben, Mannheim/Zürich 2012)
***AKROSTICHON
(vom griech.: ákros ‚Spitze‘ und stíchos ‚Vers‘, ‚Zeile‘)
Akrostichon bedeutet Versspitze/Versanfang und ist ein antikes Schreibspiel bzw. ein Gedicht, bei dem die Buchstaben eines Wortes oder die Wörter eines Satzes senkrecht untereinander geschrieben werden. Jeder Buchstabe bzw. jedes Wort bildet den Anfang eines neuen Wortes oder Satzes. Das vorgegebene Wort bzw. der ausgewählte Satz beinhaltet dabei das Thema des Gedichtes, wie z.B.
S onne
O leandersträuche blühen
M orgentau im Garten
M ittagshitze
E rholung am Badesee
R eisezeit